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Via Ferrata de la Chal in Saint Colombain des Villards

Der Plan für den 16.Juli 2006 war lange gefasst, die Rucksäcke am Vorabend bereits gepackt, aber die Berggötter wollten uns nicht auf dem "Grand
Pic de Belledonne" (2.977 m), hoch über dem Tal von Allemond sehen. Zu unsicher das Wetter! Gewitter am Vorabend, triefende Nässe und drückende
Schwüle schon am Morgen, ließen uns das Vorhaben abbrechen. Was nun? Auf der Landkarte findet sich ein kleiner Ort, vielleicht eine Autostunde
weit entfernt. Neben dem Ortsnamen eine kleine Leiter. Ein Klettersteig! So etwas lässt sich doch machen, bevor das schon zu erahnende Gewitter
loslegt. Zustieg - keine Ahnung, Schwierigkeit - keine Ahnung, Kletterlänge - keine Ahnung! Die besten Vorraussetzungen für ein alpines Unternehmen
also. Die Rucksäcke sind schnell umgepackt, jetzt Einiges leichter. Dann geht es los, nach Saint Colombain des Villards. Die Strecke bis dorthin ist
herrlich. Nicht nur für unzählige Radfahrer. Auch als Autofahrer hat man seine Freude, an Serpentinen ohne Ende, in einer phantastischen Gebirgswelt. Überraschung Nummer 1, das Wetter wird besser. Überraschung Nr. 2, die Via Ferrata hat keinen Zustieg, befindet sich quasi hinter dem Ortseingangs-
schild. Man steigt aus dem Auto und hat Eisen in der Hand und Fels unter den Füßen. So muss das sein ! Nein, muss es nicht, aber man kann sich auch
mal über solche Annehmlichkeiten freuen. Das ist Genuss! Haben wir nun auch eine Genusstour vor uns? Bevor es losgeht wird die Übungsanlage erst
einmal genauer betrachtet. Das ideale Trainingsgelände für Kinder und Anfänger. Ein bis zwei Meter über weichem Grasboden maximal, wird "ich habe
Angst - Loslassern" eine sanfte Landung garantiert. Eine mustergültige Anlage also. Wenn es so weitergeht, haben wir Nix zu befürchten.

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der Fels bei St. Colombain, links in der Wand verläuft die Via Ferrata

 

Wir (Kerstin und Volker) legen also los. Kerstin voran. Es ist besser so sagt sie. Die Schwierigkeiten lassen sich leichter lösen, wenn man sich selbst
darüber Gedanken macht. Wenn der "Vorsteiger" die Lösung vorgibt ist das schlechter - - - sagt Kerstin. Ich glaube es ;o) und steige hinterher. So
fotografiert es sich auch besser. Die ersten Meter sind recht moderat, etwas geneigtes Gelände, Riesenhenkel für die Hände, Tritte wie Bürgersteige
für die Füße. Das Eisen wird kaum zur Fortbewegung benötigt. Einmal aber doch, als es eine kleinere Hängebrücke zu überwinden gilt. Schon kurz
darauf ist Teil 1 des Steiges bereits gemeistert. Wir stehen auf einer abschüssigen Wiese in praller Sonne. Große Anstrengungen waren bisher nicht
von Nöten, aber wir sind gut durchgewärmt. Der Helm hat sich zur Schädeldeckensauna entwickelt. Es ist angenehm, die anstehende Wiesenwanderung
ohne diese Gerätschaft zu erledigen.

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Kerstin im kniffligen Einstieg des zweiten Teils des Eisenweges

 

Bald schon stehen wir am schattigen Einstieg des nächsten Abschnittes unseres Eisenweges. Schon der Anblick verspricht eine härtere Gangart.
Kerstin schaut ein wenig ehrfurchtsvoll, steigt aber ohne zu knurren hinein ins Vergnügen. Die ersten Meter sind etwas knifflig. Es fehlen einfach
die Henkel und Bürgersteige. Ohne Eisenkontakt geht es schlecht. Ich komme auch nicht umhin die Steighilfen zu nutzen. Schon gar nicht, als es
wenige Meter weiter in überhängendes Gelände geht. Reine Armkraft allein nutzt nicht viel. Die Bügel sind nicht in üppiger Anzahl vorhanden und
man muss überlegen, wie man effektiv Höhe gewinnt. Nach einer luftigen Kante wird ein wenig Erholung geboten, bevor eine große Hängebrücke
wartet. Die Brücke ist nicht das Problem. Das Problem ist es, auf sie hinaufzukommen. Überhängend um eine Ecke, da wird der Oberarmmucki schon
ein wenig weich. Dafür ist die Brückenquerung, mitsamt Ausblick, allererste Sahne.

Nun folgt Abschnitt 3. Da das Wetter zu halten scheint, nehmen wir nicht die letzte Ausstiegschance wahr. Die Wolken oben am Col du Glandon
brauchen wohl noch eine Weile um Blitz und Donner zu entladen. Also geht es links hinab über Reibungsplatten. Ein wenig Kribbeln ist schon im
Bauch, bei dem Tiefblick. Auch die weitere Wegführung, in die Südwand hinein, führt ungewohnt abwärts. Als kleines Schmankerl gilt es nun zwei
Dreiseilbrücken zu meistern. Ein Seil für die Füße, eins für die Hände und eins für den Sicherungskarabiner. Erst etwas unsicher, weil recht wacklig,
finden wir aber bald schon unseren Spaß an dieser petite attraction.

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so schaut man von einer Hängebrücke in die Tiefe

 

Dann wird es aber schnell wieder ernst. Aufwärts durch die Südwand. Die Sonne brennt unbarmherzig herab. Wäre der Fels nicht senkrecht, könnte
man Eier drauf braten. Unser Liter Wasser ist schon lange die Kehlen hinunter. Jetzt, es sind vielleicht noch 100 Klettermeter, spüren wir schon die
Auswirkungen des Kampfes mit Fels, Eisen und der Erdanziehungskraft. Die nun folgende Schlüsselstelle stört das wenig. Sie lauert in Form eines
in einem Überhang schräg ansteigenden Risses. Nicht gut zu fassen und auch nicht gut für die Fußarbeit. Um am Seil bzw. den Bügeln hochzuhangeln,
sind die Hände zu schweißig. Fragende Blicke von Kerstin, Schulterzucken von mir. Sie wollte ja vornweg! Lange wird nicht gezögert. Schon sind 10 m
geschafft. Nun müssen die Karabiner noch einmal umgehangen werden. Es will nicht gelingen, die Bizeps sind leer. Noch ein Hinweis, am gestreckten
Arm zu ruhen und Kräfte zu sammeln, wird nicht befolgt. Und es kommt was kommen muss. Nein kein Schrei! Es war eher wie ein dumpfes Mauzen
einer Katze, welche vom Fressnapf weggeschubst wird. Ein metallisches Klirren noch und schon hängt Kerstin 1 1/2 m unterhalb der Seile, gut 200 m
über Grund. Erstaunlicherweise keine Panik, nur die Frage: "Wie komme ich hier wieder hoch?". Ich arbeite mich zur Hängestelle vor, baue mir einen
Stand. Aus zwei Bandschlingen wird so etwas wie eine Trittleiter gebastelt. Mit etwas Ziehen sitzt Kerstin unversehrt neben mir. Das Klettersteigset hat
funktioniert. Ihre "darf ich nicht verraten" kg haben die Seilbremse nur wenig bewegt. Der Fangsturz war nicht zu groß. Nicht mal einen blauen Fleck
gibt es als Andenken. Nun noch die paar Meter aus dem Riss heraus. Jetzt wird tief Luft geholt und ein Blick auf eine Verfolgergruppe riskiert. Die Herren
haben auch kräftig zu tun, diese Passage zu bewältigen. Wir können darüber lachen. Jetzt!

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auch nach uns kämpft man mit der Schlüsselpassage

 

Das Sahnehäubchen des Aufstieges folgt als krönender Abschluss. Auf einem Grat geht es geneigt zum Ausstieg. Der Ausblick ist phantastisch. In die
Ferne wie in die Tiefe. Schweißgebadet fallen wir auf der Almwiese, welche das Ende der Via Ferrata bedeutet, erst einmal ins Gras. Ein paar Minuten
Ruhe. Dazu ein Apfel, der den quälenden Durst nicht so recht stillen kann. Dann geht es nordseitig abwärts gen Parkplatz. Schatten kann sooooo
angenehm sein. Im Auto warten 2 Liter Mineralwasser auf uns. Lauwarm schmeckt es manchmal auch....

Die Wolken haben bedrohlich zugenommen. Im Dorf haben wir uns eine eiskalte Coke gegönnt. Selten hat etwas so gut geschmeckt. Auf dem
Rückweg wollen wir noch Station am Stausee "Lac de Grand Maison" machen. Es wird nix draus. Der Regen kommt und im Hintergrund grollt der
Donnergott schon unüberhörbar. Wir haben also alles richtig gemacht.....


Die technischen Daten:

Zufahrt: Aus Richtung Grenoble oder Briançon kommend, zweigt man von der N91 nach Allemond auf die D43 ab. Weiter geht es, der Ausschilderung
folgend, über die D43 und D526 zum Col du Glandon. Auf der Passhöhe zweigt man nach links auf die D927 ab und erreicht in ca. 15 min die
Gemeinde Saint Colombain des Villards. Unmittelbar am Ortseingang links befindet sich ein kleiner Parkplatz, an welchem auch der Klettersteig beginnt.
Alternative Anfahrt vom Norden über Chambéry (N6) oder Albertville (N90) bis Saint Étienne de Cuines. Dort rechts ab auf die D927 und weiter bis Saint
Colombain des Villards.

Die "Via Ferrata de la Chal" befindet sich in den felsigen Süd- bzw. Südwestabstürzen eines in der Bergwelt der "Chaine de Belledonne" eher
unscheinbar wirkenden Hügels, über dem Örtchen Saint Colombain des Villards.  Starthöhe 1.210 m, Ausstieg auf 1.470 m. Kletterlänge ca. 600 m.
Wir haben ca. 2 1/2 Stunden für die komplette Tour benötigt.

Zustieg: Direkt hinter Parkplatz wird ein kleiner Bach überquert und schon steht man am Eingangstürchen der liebevoll gepflegten Klettersteiganlage.              

Charakter: Der gesamte Klettersteig gliedert sich in drei Abschnitte. Dazu kommt noch im Eingangsbereich eine Übungsanlage in Absprunghöhe. Der erste Abschnitt ist recht einfach und kann auch ohne viel Eisenberührung gemeistert werden. Die für französische Eisenwege übliche Hängebrücke
fehlt aber auch hier nicht. Wir haben ca. 15 min für die Durchsteigung benötigt. Den zweiten Abschnitt erreicht man nach 10 Minuten Wanderung,
ab Ausstieg des ersten Teils. Schon der Einstieg ist eine kraftraubende  und Respekt einflößende Passage. Recht ausgesetzt und in mehreren
Abschnitten kräftig überhängend gelangt man, wie kann es anders sein, zu einer sehr schönen Hängebrücke. Auf diese hinauf zu kommen, ist eine etwas
knifflige Sache. Nach der Überquerung dieser Brücke kann man nach rechts zum Ausstieg gelangen oder nach links gehend, den dritten und sehr
schweren Teil des Klettersteiges in Angriff nehmen. Wenig Geübte oder Kinder sollten von diesem Abschnitt aber Abstand nehmen, da auch ein
Zurückklettern ein enorm "hartes" Unterfangen ist. Der Weg führt zunächst absteigend in die Südwand des Felsens. 150 m und mehr, senkrecht
über Grund, geht es an schlechteren Tritten und weniger guten Griffen ordentlich zur Sache. Dabei müssen auch eine kleinere und eine große
Dreiseilbrücke überquert werden. Dies sollte für Kinder unter 1,30 m Körpergröße kaum machbar sein! Die Schlüsselstelle ist zweifelsohne ein
schräg nach oben ziehender Riss von gut 15 m Länge. Da es stark überhängend ist und weder Tritte noch Griffe wirklich gut sind, kommt man selbst
als erfahrener Ferratist gehörig ins Schwitzen. Nun folgt noch eine nette ausgesetzte Gratkletterei bevor man zum Ausstieg auf einer herrlichen
Almwiese gelangt.   

Abstieg: Vom Ausstieg dem Pfad über die Wiese folgend, erreicht man einen Wanderweg in der Nordseite des Felsens. Von hier ca. 30 min bis zum
Parkplatz.

Karten / Literatur: Carte de Randonnée, Nr. 3335 ET / Le Bourg d'Oisans - L'Alpe d'Huez, Institut Geographique National

Ausrüstung: Helm, Klettersteigset, Brustgurt, Klettersteighandschuhe, Bandschlingen

Unterkunft: Wir haben in Allemond gezeltet. Ein preiswerter und gut geführter 3 - Sterne Campingplatz namens "Camping le Grand Calme".
Infos unter www.oisans.com/hotel-ginies oder Anfrage per E-Mail an hotel-ginies@wanadoo.fr

 


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