rossi-mountains
• Home • News • Bergsteigen • Radsport • Laufen • Specials • über uns • Kontakt • links •
7. Swissalpine am 31. Juli 2010

31. Juli, 7:58 Uhr, empfindlich kühl ist es, der strahlende Sonnenschein dringt noch nicht so recht ins Davoser Stadionrund. Fast 2.500 Menschen drängen sich vor dem Startbogen. K31, C42 und K78 heißen ihre Aufgaben, welche 2 Minuten später mit knallendem Startschuss und unter dem Jubel der Zuschauer gelöst werden wollen.
Warum stehe ich hier eigentlich? Drei Tage mehr im Vinschgau hätten den Roßbergs sicher gut getan! Wie konnten wir bloß eine Ferienwohnung gegen ein vom Morgentau klammes Zweimannzelt tauschen? Die harte Isomatte zeigt Wirkungen. Kerstins Rücken und Laune hatten bis zum Abschiedskuss nicht den Südtiroler Standard der letzten Tage.

mentale Startvorbereitung und dann geht es schon hinein in den Startblock

Kilometer 0,0, 8:02 Uhr, die Startlinie ist endlich hinter mir, das Gedränge löst sich auf der großen Runde durch die Straßen von Davos bald auf. Alles schnattert, alle sind gut gelaunt und überall beifallspendende Zuschauer am Streckenrand. Kaum zu glauben, diese Begeisterung zu dieser Stunde!
Es gibt kein Zurück mehr, meine Aufgabe, K78 heißt sie, will jetzt gelöst werden! Ich versuche mich zu positionieren, etwas weiter nach vorn zu kommen, in meinem Tempo laufen zu können. Nach gut 3 km sehe ich Kerstin auf einer Terrasse. Sie lacht, winkt mir zu und fotografiert. Die wärmende Sonne tut nicht nur ihrem Rücken gut.

nach 3 km haben sich die Spitzenläufer schon deutlich abgesetzt warm gelaufen und bester Laune, aber etwas später am km 3

Kilometer 25,5, das Wiesen-Viadukt wird überquert. Durch eine herrliche Landschaft, durch die malerische Zügenschlucht haben sich die Läufer bis hierher durchgearbeitet. Tief unten tost der reißende Fluss namens Landwasser.
Die kurze Zeit auf dem Viadukt bringt ein Kribbeln auf der Haut und beim Blick nach unten auch in der Magengegend. In diesem Moment macht das Laufen richtig Spaß. Die Anstrengung der vergangenen Kilometer ist noch nicht sehr zu spüren. Jetzt bloß nicht überdrehen.

eine tolle Startnummer hatte ich erwischt auf dem Wiesen-Viadukt (Foto:alphafoto.com)

Kilometer 31,0, der Ortskern von Filisur wird passiert. Die K31-er haben es geschafft. 31 km sind gelaufen und sie dürfen sich im Ziel verwöhnen lassen. Die C42-er biegen ab, ihr Lauf über die Marathondistanz endet in Tiefencastel, weiter unten im Tal. Die K78-er sind jetzt einige Kilometer unter sich.
Der Spaß beginnt. Ich schlinge ein Powergel hinunter. Hinauf nach Bergün brauche ich Power. Ja, es geht jetzt bergauf und ich fühle mich sauwohl dabei! Keine Zweifel, keine Schmerzen, kein Klagen. Das Bergsteigen und Wandern in Südtirol haben eine gute Akklimatisation bewirkt. Wir haben alles richtig gemacht, ich mit den noch 47 Kilometern vor mir und Kerstin, die in Davos wohl gerade einen Cappuccino genießt.

Blick über Filisur, in Richtung Albulapass in Filisur stand auch unsere Leinwandvilla

Kilometer 39,2, Bergün ist erreicht. Nach Passage des Ortes geht es hinein ins Hochgebirge. Wer mag, kann hier Wechselsachen stationieren. Für den heutigen Tag eigentlich nicht nötig, die Sonne verspricht angenehme Lauftemperaturen bis in die Hochlagen. Um 11.30 Uhr wurde hier der K42 gestartet, die härtere der beiden Varianten des Marathons im Programm des Swissalpine 2010.
Endlich am Verpflegungspunkt angekommen. Hunger habe ich nicht, ich brauche den Sani! Ein Zeh hat beschlossen Blasen zu schlagen. Schnell werde ich verpflastert und ab geht die Post wieder. Die Zuschauer hier im Ort sind der Wahnsinn. Kuhglocken in allen erdenklichen Größen werden geläutet, dazu das vorantreibende „Hopp, hopp!“ aus unzähligen Kehlen. Mir geht es gut, auf diesem wunderschönen Fleckchen Erde.

klick auf das Bild

in den Gassen von Bergün (Foto:alphafoto.com) der Streckenplan des Swissalpine (Quelle: Ausschreibungsunterlagen)

Kilometer 48,7, Valzana grüßt die Läufer und gleich wird auch die Marke von 2.000 m ü. NN geknackt. Bis hierhin war das Geläuf deutlich schwieriger, die Anstiege steiler und das Feld zog sich stark auseinander. Jetzt enden die befestigten Straßen und Wege.
Die Anstrengung ist jetzt spürbar. Mein Zeh spielt zum Glück pflasterumhüllt gut mit. Die Luft ist merklich dünner, die Schritte fielen schon schwerer. Die steilsten Passagen bin ich zügig gewandert, um Kraft zu sparen für das, was da noch kommt. Ich möchte jetzt gern einen Latte Macchiato trinken! Den gibt’s leider nicht! Also rein mit dem Powergel und mit einem Becher Wasser nachgespült.

herrliche Blumenpracht am Streckenrand ab Valzana kreisen ständig Rettungshubschrauber über dem Läuferfeld

Kilometer 52,9, die Keschhütte und damit der höchste Punkt des K78 ist erklommen. 2.632 m ü. NN steht an der Hütte. Das härteste Stück Lauf-Arbeit ist vollbracht und ein üppiger Verpflegungsstand lädt zum Schlemmen ein. Das Wetter ist auch hier oben bestens, die Sicht phantastisch.
Zu 2006 kein Vergleich! Damals haben Andy und ich hier oben gefroren wie die Schneider. Bei Nebel und Nässe gab’s den Becher Bouillon eher zum Händewärmen als zum Trinken! Jetzt genieße ich den Ausblick auf die Bergwelt mit dem markanten, vergletscherten Piz Kesch als Blickfang. Es ist so schön hier, dass mir das Wasser in die Augen läuft. Wenig schön war der Weg von Valzana hierher. Teils so steil, dass eh nicht richtig gerannt werden konnte, gab es noch Stau, richtigen Stillstand! Die Letzten des K42 Feldes und die Frühstarter des K78 (Start um 6.00 Uhr, mit Limit 14 Stunden) blockierten teils ordentlich den Weg, der so schmal und manchmal so ausgesetzt ist, dass nicht überholt werden kann. Kein Vorwurf an diese Läuferinnen und Läufer! Das Problem ist organisatorischer Natur und wird hoffentlich 2011 behoben sein. Schade nur, dass ich jetzt hinter meiner geplanten Zwischenzeit zurückhänge.

Stau im Aufstieg (Foto: Jens Vieler) die letzten Meter zur Keschhütte (Foto:alphafoto.com)

Kilometer 60,1, der Scalettapass wird überquert. Mit 2.606 m ü. NN noch einmal ein wahres Highlight, welches aber über den Panoramatrail, der im Schnitt nur 100 m tiefer liegt, deutlich angenehmer zur erreichen ist als die Keschhütte. Dafür ist der Panoramatrail eine ordentliche Konzentrationsübung. Wer hier stolpert und stürzt findet sich weit talwärts wieder, so ausgesetzt verläuft er. Wer Höhenangst hat, oder nicht trittsicher ist, kann auf die Strecke des K42 ausweichen, welche im Talboden verläuft, aber wieder harte Aufstiegsmeter verspricht.
Diesen Weg möchte ich einmal als Wanderer erleben! Obwohl ich wandern musste und dazu wieder im Stau stand. Nur die Natur genießen konnte ich nicht! Meine Zielzeit ist im Eimer! Ich bin sackig, auf die Stauverursacher, die Organisatoren und auf mich selbst und die ganze Welt. Der Arzt am Pass reißt mich aus diesem Zustand heraus. „Hallo Volker! Geht’s Dir gut? Hopp, hopp!“ Ich raffe mich auf, so einen herrlichen Tag darf ich mir nicht versauen! Mit mehreren Bechern Cola werden die müden Muskeln wachgerüttelt und 18 km Tal-Lauf können beginnen.

der Scalettapass ist ist erreicht (Foto:alphafoto.com) die Passhöhe ohne Swissalpine-Trubel

Kilometer 78,5, 18:10 Uhr, Stadion Davos. Hier tobt das Leben. Die swissalpine Läuferwelt feiert sich hier selbst! Egal ob Mini-Lauf oder K78, wer hier dabei war, der hat sich diese Party auch verdient!
Kerstin wartet am Eingang des Stadions. Ich versuche für das Foto zu lächeln, was mir auch gelingt. Naja, zugegeben, es sieht etwas gequält aus! Die letzten Kilometer haben noch mal ordentlich geschlaucht, auch wenn es meist bergab ging. Die halbe Stadionrunde ist aber ein Genuss. Noch einmal Gänsehautfeeling  pur. Dann ist es geschafft! - - - Warum stehe ich eigentlich hier? Das war die Frage am Morgen und ist sie auch jetzt noch! Eine Antwort darauf kann ich mir nicht geben, aber es war einfach super… und ich werde es wieder tun!

nur noch 200 m und nach einem Erdinger alkoholfrei ist auch das Lachen wieder da
Ein paar technische Daten zum Lauf:

K78 = 78,5 km / 2.260 Höhenmeter im Auf- wie im Abstieg
Zeitlimit 12 Stunden
2010 = 1.488 Finisher, davon 252 Frauen

mehr dazu, auch zu den anderen Strecken, unter www.swissalpine.ch
zur Website des T-Rex-Teams        zum Bericht Swissalpine 2006

nach oben